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Ganz im Vertrauen (Editorial 1 / 23)

Glaube ist zuallererst Gottvertrauen: tiefe Zuversicht,
innere Verankerung, persönliche Verwurzelung unter offenem Himmel.
Ein Christ glaubt somit nicht an Gott, sondern glaubt ihm.
Das kann nicht konsequenzenlos bleiben.
Friedrich Schorlemmer

Liebe Mitchristen,

Es gibt eine Menge Themen, die auf dem Weg des Glaubens eines Menschen von Bedeutung sind. Allein in den Übungen der Fastenzeit ­begegnet uns eine Fülle von Hilfen zur Bekehrung unserer Herzen. Näher auf Ostern zu kommen wir in Berührung mit Leiden und Tod. Alles hat seine Bedeutung, nichts darf vernachlässigt werden. Da erhebt sich doch die Frage, wie man das alles gleichzeitig schaffen soll? So entsteht das Bedürfnis nach einer zentralen Idee, nach etwas Wesentlichem, das den Rest einschließt. Und das Vertrauen bzw. die Hingabe ist eine solche, zentrale Wirklichkeit.

Vertrauen und Hingabe tragen wesentlich zur Erfüllung der tiefsten Sehnsucht eines jeden Menschen bei. Es ist die Grundlage für jede echte Beziehung – zu Gott, zum Nächsten und zu mir selbst (Selbstvertrauen). Diesen Blickwinkel wollen wir mit diesem Heft stärken.

Im Eingangsartikel beschreibe ich ein Stück meines eigenen Vertrauensweges und wie die Hingabe unseres Herrn für mich in mir die Antwort wachgerufen hat: „Auch ich möchte für dich alles sein dürfen.“

Gerd Epting lädt uns ein, von Simon Petrus zu lernen, dass Vertrauen in Gott nicht auf Fach- oder Erfahrungswissen aufbaut, sondern einzig darauf, weil Er dazu auffordert: „Fahre nochmal hinaus!“ Unser Tun wird so zu einer vertrauenden Antwort auf etwas, was menschlich unmöglich erscheint: „Auf dein Wort hin…“

Solches Vertrauen ist und bleibt angefochten. Es kann Ereignisse in unserem Leben geben, die uns an seiner Liebe zweifeln lassen. Der Schweizer Theologe Thomas Härry zeigt auf, wie wichtig es ist, seinem Schmerz und seinen Klagen ohne Zurückhaltung Ausdruck zu geben: „Schüttet euer Herz vor ihm aus!“, wie in Ps 62,9, kann so zu einer Rückkehr zum Vertrauen für uns werden.

In einem Artikel der erfahrenen Seelsorgerin ­Ursula Schmidt wird uns vor Augen geführt, wie wichtig Ehrlichkeit vor sich selber und vor Gott ist. In Christus finden wir das ersehnte Gegenüber, dem wir uns ohne Angst zeigen und uneingeschränkt zumuten können. Ihm, der uns hört, versteht, ernst nimmt und hilft, zu begegnen hat eine heilende Wirkung, selbst bei noch so tiefen Verwundungen.

In einem Lebensbild der Thérèse von Lisieux begegnet uns eine von Jesus faszinierte Ordensfrau, ­deren Vertrauen und Liebe sich in einer ungewöhnlich leidenschaftlichen Hingabe an Gott und ihre Mitmenschen äußert: als sogenannter „kleiner Weg“ der Liebe in den kleinen Gesten des Alltags.

In einem weiteren Text werden wir ermutigt von Vorbildern – allen voran Abraham. Den „Vater des Glaubens“ malt uns Papst Benedikt XVI. in einer Predigt vor Augen. Er weist darauf hin, dass die Wege unserer Glaubensvorbilder beredte Beispiele dafür sind, dass der Glaube an Gott uns oft in Widerspruch zu gesellschaftlichen Denkweisen bringt. Um furchtlos „gegen den Strom zu schwimmen“, braucht es die Gewissheit der Gegenwart Gottes, die ein Leben in Fülle in sich trägt und unsere Zukunft ist.

Unser neues Redaktionsmitglied, Jonas Großmann, beschreibt den Weg seiner Familie in die OJC-Gemeinschaft in Greifswald als ein spannendes „Puzzle des Hörens“. Er kommt zu dem Resümé: Das Wagnis des Glaubens verlangt „keine Riesenschritte auf Gott zu, sondern kleine Schritte hinter dem riesigen Gott her“.

Fünf ganz praktische Schritte zur Einübung ins Vertrauen bietet uns Matthias Casties aus eigener Erfahrung an. Vertrauen braucht Übung. Kampf und Mühen auf dem Weg bleiben uns dabei nicht erspart. Doch das neue Leben, das aus Vertrauen erwächst, macht zunehmend glücklich. Nirgendwo wird die Liebe Gottes sichtbarer und erfahrbarer als im Umgang mit den Kleinen. Das bezeugt eine begeisterte junge Mutter aus ihrem Alltag mit ihren beiden Kindern. Echtes Vertrauen zeigt sich auf einzigartige Weise im unbedingten Ja-Sagen zu Kindern, ohne die es keine Zukunft gibt. Hierfür ist der hingebungsvolle Einsatz des eigenen Lebens von Eltern eine unerlässliche Voraussetzung.

All diese Inhalte können nur eine kleine Spur zu diesem unerschöpflichen Thema legen. Vergessen wir nie: unser Gegenüber ist unser Herr Jesus Christus, der wie niemand anderer sonst unseres Vertrauens würdig ist. Setzen wir alles Vertrauen auf Ihn. Er lockt uns, uns Seinetwillen immer noch ein Stückchen mehr zu riskieren, unsere engen Grenzen zu sprengen und dabei über uns selbst hinauszuwachsen. Um Wunder des Vertrauens erleben zu können, lade ich Sie ein, in der Fastenzeit jeden Tag mit mir beherzt zu beten:

„Mein Jesus, ich schenke Dir mein unbegrenztes Vertrauen, das Dir freie Hand lässt, das Maß meiner menschlichen Möglichkeiten zu überschreiten und Dir damit Gelegenheit gibt, in mir herzustellen, was menschlich unmöglich ist.“

Ich wünsche Ihnen eine ähnliche Erfahrung, wie sie in aller Plötzlichkeit über Hagar (Gen 16, 13) hereingebrochen ist: Da ist ein barmherziger Gott, der mich persönlich ansieht; dem ich mich bedingungslos anvertrauen kann. Ich wünsche Ihnen, dass Sie das wie nie zuvor erfahren und Sie in dem Bewusstsein weitergehen, dass Gott Sie sieht.

Trotz aller Not und Schrecken in unserer Zeit und um uns herum, bleibe ich mit ungebrochener Zuversicht mit Ihnen unterwegs und wünsche Ihnen ein hoffnungsfrohes und gesegnetes Osterfest,
Ihr
Rudolf M.J. Böhm
Greifswald, den 9. März 2023

Brennpunkt-Seelsorge 1 / 2023: Ganz im Vertrauen
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