Werdet wieder Kinder – Wenn das Vertrauen verloren gegangen ist

Andreas Geister –

In der Bibel kommen Kinder 600 Mal vor. Das ist nicht wenig. Da heißt es z. B. im Psalm 127: Kinder sind ein Geschenk von Gott, eine Gabe des Herrn. Eine Geschichte macht besonders deutlich, welchen Stellenwert Kinder bei Jesus, bei Gott haben:
Da brachten sie ihm Kinder mit der Bitte, er möge ihnen die Hände auflegen und für sie beten.
Die Jünger aber fuhren sie an. Jesus wies sie zurecht: „Lasst die Kinder in Frieden und hindert sie nicht, zu mir zu kommen, denn Menschen wie ihnen ­gehört das Himmelreich.“ Er legte ihnen die Hände auf, segnete sie und zog dann weiter (Mt 19,13-15).
Diese Geschichte von der Kindersegnung ist eine der schönsten Geschichten in der Bibel. Hindert die Kinder nicht daran, zu mir zu kommen. Denn denen, die so sind wie sie, gehört das Himmelreich. Eine moderne Übersetzung sagt: … denn für Menschen wie sie steht Gottes neue Welt offen. Direkt davor hatte Jesus einen heftigen Disput mit den Schriftgelehrten über die Ehe und Ehescheidung. Ihr habt ein Herz aus Stein, sagt Jesus zu ihnen. Und dann kommen sie – vermutlich sind es die Mütter – mit ihren Kindern und bitten, dass Jesus sie segnet. Sie wollen für ihre Kinder das Beste: den Segen Jesu.

Die Jünger reagieren wie Leibwächter, die ihren Chef schützen müssen und wehren sie ab: Für kleine Kinder hat er keine Zeit. Was er zu sagen hat, geht die Großen etwas an, richtet sich an Erwachsene. Der Glaube ist kein Kinderkram, der braucht Hirn und Herz, Verstand und Hände, die zupacken können.
Jesus denkt ganz anders. Er macht die Kinder zum Vorbild für den Glauben: Wenn ihr werdet wie die Kinder, könnt ihr Anteil haben am Reich Gottes.

Was meint Jesus damit? Jesus kennt das Herz der Großen und Erwachsenen. Er weiß, dass sich darin viel Misstrauen Gott und den Menschen gegenüber entwickelt hat, dass sie sich verhärtet haben.
Was können wir tun, wenn unser Vertrauen verloren gegangen ist? Und wenn das unsere Beziehungen beeinträchtigt und zerstört? Jesus kennt die Propheten, er weiß, dass Gott verspricht: Ich will ein neues Herz und einen neuen Geist in euch geben und will das steinerne Herz aus eurem Fleisch wegnehmen und euch ein fleischernes Herz geben (Hes 36,26). Und: Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich (Lk 18,27). Vertrauen heißt also, mit der Kraft der verborgenen Gegenwart des Heiligen Geistes rechnen.

Kinder sind nicht immer nur lieb

Jesus weist auf die Kinder als Vorbilder für den Glauben hin! Natürlich sind Kinder gar nicht immer nur lieb. Sie können auch ganz schön nerven oder streiten. Und doch wissen wir: Eltern lieben ihre Kinder, nicht, weil sie alles recht machen, sondern um ihrer selbst willen. Und Kinder vertrauen dieser Liebe. Schaut, wie sie in den Armen ihrer Mutter einschlafen oder ihrem Vater ent­gegenspringen, wenn er heimkommt. Kinder sind Vorbilder im Vertrauen. Sie vertrauen blind der Liebe ihrer Eltern, Großeltern, Paten und Geschwister.
Genauso will uns Gott. Er liebt uns um unserer selbst willen, und nicht nur dann, wenn wir es ihm recht machen. Er liebt uns ohne Vorbedingungen. Und er öffnet seine Arme, wenn wir ihm entgegenspringen und ihm erzählen wollen, was wir im Herzen haben, was uns beschäftigt.

Ich habe in meiner Wohnung eine stille Ecke. Da steht ein Kniebänkchen, eine Ikone, eine Kerze. Und wenn mir alles zu viel wird, setze ich mich dorthin, um mich bei Gott auszuruhen und manchmal auch auszuweinen. Und dann ist es, als hörte ich die Stimme Jesu: Schön, dass du kommst, ich habe schon auf dich gewartet. Du musst jetzt nichts sagen. Ich weiß alles.
Einfach Dasein. Vor Gott Dasein. Zu ihm hin­sitzen, mich anlehnen und schweigen. So unkompliziert, kindlich einfach geht glauben. Am Ende trägt im Leben nur das ganz einfache kindliche Vertrauen. Meine Hand in Gottes Hand legen und sagen: Mein Vater, ich vertraue Dir, auch wenn ich dich nicht verstehe.

Wahrlich, ich sage euch, sagt Jesus, wer das Reich Gottes empfängt wie ein Kind, der wird hineinkommen. Kindliches Gottvertrauen.
Seine Nähe suchen – ohne Furcht. Das können wir von den Kindern lernen.

Andreas Geister war evangelischer Pfarrer in der Schweiz und ist seit August 2019 im Ruhestand.

Bild: Matthias Bade / OJC-Archiv
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