Brennpunkt-Seelsorge: Mit Herz und Hirn. Rudolf M. J. Böhm im Gespräch mit Felix Beck

Mit Herz und Hirn – Wahrheit suchen, Gott finden

Rudolf M. J. Böhm im Gespräch mit Felix Beck

Felix, du hast dich mit dem Islam und verschiedenen Konfessionen auseinandergesetzt, hast gesucht, gefragt und gerungen. Nachdem du bei Christus angekommen bist, hast du dich taufen lassen. Was hat dich dazu gebracht, so konsequent nach der Wahrheit zu suchen?

Die Erklärungen zum Sinn des Lebens, die ich als Kind in meiner nichtreligiösen Familie bekommen hatte, waren für mich nicht logisch nachvollziehbar. Ich wusste, dass es noch etwas Größeres geben muss. Die Ersten, mit denen ich darüber redete, waren Muslime. Damals passierten viele islamische Anschläge und die Muslime in meinem Umfeld sagten, dass der Islam so nicht sei. Ich verstand das erste Mal, dass Religion nicht nur etwas Privates ist, sondern dass man mit anderen Leuten darüber reden und sie manchmal sogar verteidigen muss. Meine muslimischen Freunde haben versucht, mir Gott zu beweisen. Ich dachte, wenn die islamischen Apologeten solche Beweise für ihre Religion haben, dann muss doch die Kirche auch Argumente für Christus, die Bibel und die Gemeinde haben. Im Gespräch mit Muslimen hörte ich viele Argumente gegen das Christentum, mit deren Begründung ich aber nie zufrieden war. Ich habe selbst angefangen, nach Gottesbeweisen zu suchen. Nachdem ich akzeptiert hatte, dass es einen Gott geben muss, wollte ich die wahre Religion entdecken. Für mich persönlich stellte ich fest, dass der Islam nicht die Wahrheit sein kann, und ich habe mich immer mehr dem Christentum zugewandt. Ich habe angefangen, in der Bibel und in apologetischen Schriften zu lesen und mir viele Predigten angehört. So hat sich mein Verständnis immer weiter vertieft und sich mir der Sinn des Lebens nach und nach erschlossen.

Die zum christlichen Glauben konvertierte Jüdin und Philosophin Edith Stein sagte einmal: „Wer die Wahrheit sucht, der sucht Gott, ob es ihm klar ist oder nicht.“ Kannst du das auch so sehen?

Wenn ich Leute gesehen habe, die beteten oder ein religiöses Leben führten, fragte ich mich, warum ich das nicht kann und was mir fehlt. Als ich mich selbst auf den Weg gemacht habe, habe ich verstanden, dass man zuallererst Gott vertrauen muss. Also habe ich darauf vertraut, dass Gott mich leitet, auch wenn ich vieles nicht verstehe. Im Nachhinein realisiere ich, dass Gott mich geführt hat. Dabei war der Vers „Die Wahrheit macht euch frei“ für mich wegweisend: Ja, das ist es; diese Freiheit durch die Wahrheit will ich. Ich möchte sie immer mehr kennenlernen und ich werde mit meiner Suche nicht aufhören.

Und was hast du gefunden?

Am Anfang ging ich noch eher von einer subjektiven Wahrheit aus. Aber je tiefer ich ins Gebet gekommen bin, desto mehr habe ich verstanden, dass Christus wirklich die einzige Wahrheit ist.

Du hast die Wahrheit also gefunden?

Zuerst war es eine intellektuelle Leistung. Beim weiteren Nachdenken habe ich gemerkt, dass man nicht allein durch Bücher Gott kennenlernen kann, sondern eine Beziehung zu ihm braucht. Als ich angefangen habe, täglich zu beten, hat das mein inneres Auge für die Wahrheit der Heiligen Schrift geschärft. Das Lesen besonders der Zeugnisse über Christus im Neuen Testament hat mein Gebetsleben vertieft und das Gebetsleben hat mir ein tieferes Verständnis für die Heilige Schrift aufgeschlossen. Beides zusammen hat mich immer näher zu Christus gebracht.

Gab es auf dem Weg auch Menschen an deiner Seite?

Zu der Entscheidung, mich taufen zu lassen, haben mich meine Großtante und mein Großonkel hingeleitet, die in einer lutherischen Gemeinde aktiv sind. Hier kam ich das erste Mal mit einem lutherischen Pastor ins Gespräch. Daneben habe ich viel von Klassenkameraden, Freunden und Bekannten aufgeschnappt. Alles zusammen ergab für mich das große Ganze. Auf dem Weg in die katholische Kirche standen mir der Priester und der Studentenseelsorger zur Seite.

Was waren Schritte auf deinem Weg?

Ich war herausgefordert, meine Emotionen zurückzustellen und meinen Verstand einzuschalten; mich zu trauen, mit Leuten, die vielleicht eine andere Meinung haben und mehr wissen als ich, das Gespräch aufzunehmen und so gut ich kann meine eigene Meinung zu vertreten. Dabei habe ich gelernt, mich nicht emotional zu verteidigen, meinen Stolz zu überwinden, Irrtümer einzugestehen und rationale Argumente für meine Position zu finden. Fragen, auf die ich erstmal keine Antwort wusste, waren ein Ansporn, theologisch tiefer zu graben und – wenn nötig – bisherige Standpunkte zu verlassen und Neues einzugehen.

Du kannst deinen Glauben begründen. Siehst du dich selbst als Zeugen?

Ich will mir nicht anmaßen, die absolute Wahrheit zu kennen. Aber wo ich weiß, dass etwas unwahr ist, habe ich den Glauben zu verteidigen. Ich denke, dass es für uns Christen sehr wichtig ist, mit unserem Leben Zeugnis zu geben, um gute Frucht zu bringen. Christen müssen bereit sein, für ihren Glauben an Christus einzustehen.

Ist das der Grund, warum du Theologie studieren willst?

Der Wunsch ist relativ neu. Ich bekam immer mehr Lust, theologische Arbeiten zu lesen und die Geschichte der Kirche besser zu verstehen. Je tiefer ich in die Materie einsteige, desto stärker brennt mein Feuer für Gott. Wenn ich mich mal nicht damit beschäftige, merke ich, dass ich mich auch von Gott entferne. Nur eine schöne Spiritualität, schöne Bilder und eine schöne Kirche reichen mir nicht. Für mich spielt der rationale Aspekt eine sehr große Rolle. So vertieft sich mein Gebetsleben.

Zu allen Zeiten sind die Menschen auf der Suche nach wahrem Glück. Inwieweit hat dein Glaube dir geholfen, den Lügen des Vergnügens und der Verzweiflung nicht auf den Leim zu gehen?

Mir hat das Jesus-Wort geholfen: „Wer mich liebt, hält meine Gebote.“ Indem mein Gebet und so meine Liebe zu Gott stärker wurden, habe ich gelernt, dass die Vergnügen dieser Welt nur temporär sind und wir aber für die Ewigkeit geschaffen. Das versuche ich mir immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, wenn ich mal wieder Angst habe, etwas zu verpassen. Als Christ kann ich wissen, dass Gottes ewige Liebe am Ende ein weit größeres Glück ist als sämtliche Vergnügen auf der Welt. Darum möchte ich ganz für Gott leben.

Was kannst du Gleichaltrigen sagen, die wie du auf der Suche nach einem echten und vollen Leben sind?

Viele in meiner Generation haben diesen Blick auf die Ewigkeit verloren und damit keine Alternative zu ihrem schnellen Lebensstil. Wenn ich ihnen erzähle, dass man für sein Glück manchmal auch verzichten muss, werde ich oft gefragt, ob das Leben dann nicht voll langweilig sei? Viele haben keine Beziehung zu Gott und wissen nicht, wie sie eine Beziehung zu ihm bekommen können.

Wie kommt das bei ihnen an?

Ich rege sie in jedem Fall zum Nachdenken an, da ich nicht unglücklich bin und Freude am Leben habe. Aber sie können sich einfach nicht vorstellen, dass Gott jeden Menschen ganz persönlich liebt. Ohne diese Erfahrung fehlt ihnen die Motivation.

Wie können sie eigene Erfahrungen mit Gott machen?

Man muss ihnen nur die Mittel zur Verfügung stellen, damit sie es selbst herausfinden können: eine Bibel, ein Buch, Gebete. Ich kann nicht sagen, „du musst das so und so machen“, sondern nur, „es gibt das und das, und das kannst du ja mal ausprobieren und deine eigenen Erfahrungen machen, und dann können wir darüber reden.“ Die Bereitschaft muss aus dem eigenen Herzen kommen.

Wirst du wegen deines Glaubens manchmal ausgelacht oder ausgegrenzt?

Natürlich bekomme ich Gegenwind, aber schlimme Erfahrungen habe ich bisher noch nicht gemacht. Evangelisation geschieht ja aus Liebe zu Menschen, weil man sich wünscht, dass sie auch eine Beziehung zu Gott haben. Manche denken vielleicht, dass ich ein bisschen spinne und sie mich nicht so ernst nehmen müssen. Oft stehe ich mit meiner Meinung allein. Dann frage ich mich schon, wofür ich das mache. Aber sonntags in der Kirche erlebe ich, dass andere Gleichaltrige auch unterwegs sind. Das motiviert mich, nicht aufzugeben und raus zu gehen und das Evangelium zu verkünden.

Nun gibt es in allen Konfessionen Jesus-Liebende. Bist du für eine „Ökumene der Entschiedenen“ offen?

Es waren evangelikale Christen, die mir zum Glauben verholfen haben und bei denen ich sehe, dass sie Christus lieben. Ich weiß, wer ich bin und warum ich jetzt katholisch bin. Das bedeutet aber nicht, dass ich den einen lieber mag als den anderen. Wir haben überwiegend Gemeinsamkeiten, die uns verbinden.

Was sind die wichtigsten Fragen, die dich bewegen?

Wie kann ich in dieser Welt noch mehr für Gott leben und ihm dienen? Und: Wie kann ich näher hin zu Seiner Heiligkeit wachsen?

Du möchtest also heilig werden?

Kommt darauf an, was man darunter versteht. Mein Herz sehnt sich danach, Christus ähnlich zu werden – also im Glauben zu wachsen und zu reifen, nach mehr Wahrhaftigkeit, Tiefe im Glauben, größerer Liebesfähigkeit.

Noch eine letzte Frage: „Wer ist Jesus für dich?“

Seine Liebe ist immer da und wird nicht schwinden, egal was ich getan habe oder wie es mir geht. Ich kann immer wieder zurückkehren zu Gott und Geborgenheit suchen in seinen Armen.

Rudolf M. J. Böhm im Gespräch mit Felix Beck, 19. Er hat ein leidenschaftliches Interesse an Theologie und der dazugehörigen Literatur. Daneben joggt und boxt er regelmäßig. Er trifft sich gerne mit Freunden.

Bild:©Jim Avignon / photocase.de
Brennpunkt-Seelsorge 2 / 2022: Wahrheit wagen
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1 Kommentar. Hinterlasse eine Antwort

  • Robert Lautenschlager
    8. Juli 2023 14:15

    Wir besitzen die Wahrheit nicht, und darum muessen wir auch nicht Angst haben,dass wir sie verlieren. Sondern die Wahrheit besitzt uns, wir sind ergriffen von ihr.Wenn ich in einer solchen Haltung lebe, muss ich nicht Angst haben mit Menschen zu sprechen, die eine ganz andere Haltung haben oder das Christentum nicht lemmen.

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