Empfangen, eigentlich jeden Tag neu!

Was es bedeutet, wirklich neu anzufangen, habe ich durch die Geburten unserer vier Kinder gelernt. Diese Momente zählen zu den glücklichsten meines Lebens, obwohl es auch die herausforderndsten Zeiten waren.
Bei unserer jüngsten Tochter habe ich das am intensivsten erlebt. Schon bevor ich schwanger wurde, haben wir uns Gedanken gemacht, ob wir es nochmal schaffen würden, ganz von vorne zu beginnen, denn unsere Großen waren da schon 6, 11 und 13 Jahre alt. Wir hatten als Eltern wieder viele Freiräume und neue Möglichkeiten standen uns offen. Doch es gab einen Gedanken, der mich immer wieder beschäftigt hat: Woher will ich wissen, was das Bessere für mich ist? Vielleicht will uns Gott mit einem vierten Kind noch einmal ­etwas schenken, von dem wir jetzt gar nichts ahnen. Auf einem Seminar prägte sich mir im Zusammenhang mit Schöpfung und Sündenfall etwas tief ein. Sinngemäß hieß es: „Im Paradies hat Eva sich die Frucht selbst genommen. Dadurch hielt sie nur das in der Hand, was ihr die Welt zu geben hatte. Für das, was Gott ihr schenken wollte, hatte sie die Hände nicht mehr frei.“ Da wusste ich, dass ich gerne lernen wollte, was es heißt zu empfangen. Vielleicht gehören anfangen und empfangen zusammen. Denn zu diesem vierten Neuanfang in unserer Familie gehörte, dass ich zunächst einmal offen sein und dieses Kind im wahrsten Sinne des Wortes empfangen musste. In der Schwangerschaft habe ich mir immer wieder gesagt: „Ich möchte dieses Kind empfangen, so wie es ist.“ Sehr konkret wurde das, als der Geburtstermin schon verstrichen war und die Ärzte nach zehn Tagen die Geburt einleiten wollten. Aber ich wollte auf sie warten und sie zu dem Zeitpunkt empfangen, an dem sie zur Welt kommen wollte. Ich wollte sie mir nicht selber holen! Dazu brauchte es allerdings mein ganzes Vertrauen und meine Entschiedenheit. Annelie kam dann nach zwölf Tagen von alleine.
Ich habe entdeckt, dass ich diese drei Haltungen für jeden neuen Anfang brauche: Vertrauen, Entschiedenheit und die Bereitschaft zu empfangen. Eigentlich jeden Tag aufs Neue. Besonders im Zusammenleben mit meiner kleinsten Tochter lerne ich, dass ich jeden Tag wieder neu annehmen muss, was und wie sie ist – gesund oder krank, fröhlich oder schlecht gelaunt, schnell oder langsam (weil sie neugierig bei jedem Steinchen am Straßenrand stehen bleibt).
Jetzt ist sie 18 Monate alt und ich bin Gott zutiefst dankbar, dass er mir geholfen hat, meinen Blick und meine Hände frei zu machen für dieses große Geschenk. Vom ersten Moment ihres Lebens an ist sie (bei aller Herausforderung, die das Leben mit einem kleinen Kind mit sich bringt) für unsere ganze Familie ein unfassbar großes Glück und eine große Freude. Ich hätte nie erwartet, dass es so schön sein könnte, noch einmal von vorne anzufangen.

Brennpunkt-Seelsorge 1 / 2020: Von Anfang an
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