The Great Catch | © 1993 by the John August Swanson Trust

Aber auf dein Wort hin!

Von Simon Vertrauen lernen

Gerd Epting – Einmal drängte sich die Volksmenge um Jesus und wollte hören, wie er Gottes Wort verkündete. Jesus stand am See Gennesaret. Da sah er zwei Boote am Ufer liegen. Die Fischer waren ausgestiegen und reinigten die Netze. Jesus stieg in das Boot, das ­Simon gehörte. Er bat Simon, ein Stück vom Ufer wegzufahren. Dann setzte er sich und lehrte die Leute vom Boot aus.

Als Jesus seine Rede beendet hatte, sagte er zu ­Simon: „Fahre hinaus in tieferes Wasser! Dort sollt ihr eure Netze zum Fang auswerfen.“ Simon antwortete: „Meister, wir haben die ganze Nacht hart gearbeitet und nichts gefangen. Aber weil du es sagst, will ich die Netze auswerfen.“ Simon und seine Leute warfen die Netze aus. Sie fingen so viele Fische, dass ihre Netze zu reißen drohten. Sie winkten die Fischer im anderen Boot herbei. Sie sollten kommen und ihnen helfen. Zusammen beluden sie beide Boote, bis sie fast untergingen.

Als Simon Petrus das sah, fiel er vor Jesus auf die Knie und sagte: „Herr, geh fort von mir! Ich bin ein Mensch, der voller Schuld ist!“ Denn er und die anderen, die dabei waren, waren sehr erschrocken. ­So riesig war der Fang, den sie gemacht hatten. Jakobus und Johannes, den Söhnen des Zebedäus, erging es ebenso. Die beiden arbeiteten eng mit Simon zusammen. Jesus sagte zu Simon: „Hab keine Angst! Von jetzt an wirst du ein Menschenfischer sein!“ Da zogen sie die Boote an Land, ließen alles zurück und folgten ihm. Lukas 5,1–11 – Basisbibel

Diese Geschichte der ersten Berufung der Jünger, von der Wandlung von Simon zu Petrus, hat so viele Aspekte, so viele Bilder und Zeichen, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll.

Was ist hier geschehen?

Versuchen wir doch, uns in die Szene zu versetzen, dort am See Genezareth: Jesus ist am Ufer und ­eine große Menschenmenge scheint ihm zu folgen, ja, ihn zu bedrängen. Sie wollen ihn hören. Denn Jesus hatte in Galiläa zu predigen begonnen, und in Lukas 4 steht, dass sein Ruf sich in der ganzen Gegend verbreitete. Alle reden mit Hochachtung von ihm. Erste Wunder werden vollbracht, Dämonen ausgetrieben und die Leute suchen ihn, bis sie ihn finden (Lk 4,42). Sie möchten, dass er zu ihnen spricht. Und Jesus bittet den Fischer Simon, ihn doch mit dem Boot ein Stück rauszufahren, damit er frei reden kann. Worüber er predigt, ist nicht überliefert, aber das ist auch nur die Vorgeschichte. Fakt ist: Jesus sitzt im Fischerboot. Simon ist bei ihm, zusammen mit seinen Kollegen, vielleicht sind auch andere Fischer mit ihren Booten in der Nähe. Und am Seeufer steht eine große Menschenmenge und hört Jesus zu.

Als Jesu Rede zu Ende ist, spricht er Simon an: Fahre noch weiter hinaus. Wo es tiefer ist. Dort sollt ihr eure Netze auswerfen.

Jesus spricht mit Simon und diese Botschaft gehört ganz ihm. Es ist keine Frage, sondern eine persönliche Ansprache, eine Aufforderung. Jesus sagt Simon klar und einfach, was er tun soll. Die Aufgabe ist nicht schwer, sowas machen sie jeden Tag. Aber in dieser Situation?

Wie wird es Simon gehen? Er ist müde, war die ganze Nacht auf den Beinen, hat nichts gefangen. Jetzt wollte er nur sein Netz reinigen und flicken und mit den anderen am Ufer sitzen, sich aus­ruhen. Und vielleicht die quälende Frage verdrängen, wie es weitergehen kann, so ohne Fische. Und dann kommt Jesus mit so einer Ansage: Hinausfahren und die Netze auswerfen? JETZT? Erfahrung und Kompetenz sprechen dagegen. Der Gedanke an die Anderen, die Kollegen, die vielen Menschen am Ufer, macht es nicht leichter. Stolz und Angst und vielleicht Beschämung melden sich angesichts der Vorstellung, sich komplett lächerlich zu machen. Simon sagt das zu Jesus: Meister, wir haben die ganze Nacht hart gearbeitet und nichts ­gefangen – aber weil du es sagst. Auf dein Wort hin!

Welchen Tonfall wird diese Reaktion von Simon gehabt haben? Irritiert oder ängstlich zweifelnd oder voll Vertrauen? Wir wissen es nicht, denn letztlich wichtig ist nur, dass Simon die Netze wirklich ausgeworfen hat. Was, wenn Stolz, Angst, Scham ihn nicht gelassen hätten?

Simon wagt es, er traut sich.  Vielleicht auch gegen die Stimmen seiner Kollegen, die er gebraucht ­haben wird, um die Netze auszuwerfen. „Was, jetzt? Nein, da machen wir nicht mit“, könnte die Reaktion gewesen sein.

Hier geht es um glauben oder nicht glauben, um vertrauen oder nicht vertrauen. Halte ich an ­meinem Stolz oder an meiner Angst fest? Oder werfe ich sie wie die Netze vor Jesus aus? So dass jeder sehen kann: Schaut her, ein leeres Netz!

Jesu Forderung ist radikal, sanft, aber bestimmt. Und er kennt den, den er herausfordert. Er wendet sich an Simon, an keinen Anderen. Er sieht Simon, inmitten der Menschenmasse. Und Simon vertraut ihm. Er vertraut nicht den Umständen, sondern allein Jesus.

William Barclay schreibt: „Nur zu oft warten wir auf eine günstige Gelegenheit, wenn der Augenblick uns ungünstig erscheint. Aber wenn wir stets warten wollen, bis die Umstände vollkommen sind, werden wir nie etwas beginnen. Wenn wir wollen, dass ein Wunder geschehe, müssen wir dem Wort Jesu folgen, wenn er uns heißt, das Unmögliche zu versuchen.“1

Simon nimmt die angebotene Hand, er schlägt ein. Er sagt Ja. Ja zu Jesus. Mit diesem Ja, dieser Reaktion vertraut er sich ihm ganz an. Im „Trauen“ steckt ja der Ursprung treu sein. Das Ja bei ­einer Trauung. Ja sagen zu: Wir machen das jetzt zusammen. Ich verbinde mich mit dir! Simon verbindet sich mit Jesus. Ich tue es, „weil du es sagst“.

In diesem „weil du es sagst“ und dem Hinaus­werfen des Netzes, steckt auch der ganze Stolz und die Scham und vielleicht die Resignation und Angst, ein Versager zu sein. Jesus sieht die ganze Situation Simons, seinen Schmerz: „Wirf die Netze aus! Gell, Simon, dein Netz ist doch leer?“

Jesus sieht auch unser Ganzes, sieht unsere Fragen und unseren Schmerz, sieht auch unser ganz eigenes leeres Netz, und er will, dass auch wir sagen: Ja, ich habe die ganze Nacht nichts gefischt und ja, ich weiß nicht, wie es hier und da weitergehen soll und ja, was soll das bringen, jetzt das Netz auszuwerfen?

  • Aber weil du es sagst!
  • Aber auf dein Wort hin!
  • Weil du auch davon weißt!
  • Weil du mir nahe bist!
  • Weil ich dir vertraue!
  • Weil du mich liebhast!
  • Weil ich auch schon erfahren habe,
    dass du helfen kannst!
  • Weil du der Schöpfer aller Dinge bist und durch dein Wort alles entstanden ist!
  • Weil ich es alleine nicht schaffe!

Die Geschichte geht weiter

Dann passiert das wirklich Unglaubliche: Sie ­fingen so viele Fische, dass ihre Netze zu reißen drohten. Sie winkten die Fischer im anderen Boot herbei. Sie sollten kommen und ihnen helfen. ­Zusammen beluden sie beide Boote, bis sie fast ­untergingen.

Sie fangen nicht einfach eine kleine Menge Fische. Auch keine normale Menge, auch nicht so ungewöhnlich viele, das es schon ein Wunder wäre. Nein, die Netze drohten zu reißen und sie beluden die Boote, bis sie fast untergingen. Jesus lässt ein Wunder über alle Maßen geschehen. Über alle Erkenntnis. Über alles Verstehen. Wir feiern das auch in der Sonntagsbegrüßung. „Bis es überläuft!“ So ist Gott!

Und so erschrickt Simon und fällt vor Jesus auf die Knie und stellt fest: Wir sind getrennte Leute. Du bist heilig, ich bin sündig. Er erkennt: Du, ­Jesus bist wirklich Herr über alles. Über alle ­Gewalten, du hast alle Macht. Meine eigene Kompetenz, das eigene Wissen hat hier ein Ende. Das ist eine andere Dimension des Verstehen-­Könnens. Das passt nicht zusammen.

In diesem Erschrecken über die Größe und Heiligkeit Jesu erkennt Simon sich selbst. Er erkennt seine Schuld, seine Niedrigkeit. Er erkennt auch seinen Schmerz und hält ihn Jesus hin. Hat er sich in seinem Trauen und Vertrauen doch gerade erst mit Jesus verbunden und muss jetzt schon schmerzhaft erkennen, dass diese Verbundenheit doch gar nicht möglich scheint?

In dieser kurzen Episode zwischen dem Sich-Trauen und das Netz auswerfen, dem Sich-Verbinden mit Jesus – und der folgenden Erkenntnis der eigentlichen Trennung und Selbsterkenntnis liegt das ganze Drama des Menschen. Was für eine Spannung! Und was macht Jesus mit dieser Spannung?

Jesus sagt nicht: „Ja, Simon, du hast Recht. Das passt nicht zusammen. Lass uns getrennte Wege gehen.“ Sondern: „Hab keine Angst! Fürchte dich nicht. Du sollst Menschenfischer sein.“

Jesus lässt die Hand, die Simon eingeschlagen hat, nicht los. Jesus hält die Verbindung. Und so bedeckt Jesus auch unsere Schuld mit seiner Nähe. Er selbst überdeckt sie, auf Ewigkeit, durch seinen Kreuzestod.

Bei Henri Nouwen habe ich gelesen: „Mein Kreuz auf mich nehmen meint, dass ich meine Last, meinen Schmerz mit Jesus verbinde. Ihm meinen Schmerz hinhalte.“2 Die Verbindung zu Jesus ist das Wichtige. Dann entsteht etwas Neues. Verwandlung durch Verbindung.

In dieser Geschichte liegt ein doppeltes Trotzdem JA.

Das erste Trotzdem JA spricht Simon zur Auf­forderung Jesu, das Netz auszuwerfen. Er tut es, trotz der gegebenen Umstände.

Und das zweite Trotzdem JA spricht Jesus jetzt zu Simon Petrus: Trotz deiner Schuld sage ich JA zu dir. Ich will die Verbindung halten – bleibe bei mir! Folge mir nach! Und Petrus und alle anderen Fischer folgen Jesus nach.

Diese Erzählung fordert auch uns heraus:

  • Wie sieht meine Verbindung zu Jesus aus?
  • Wie eng sind wir? Wie steht es um mein JA?
  • Wo fordert Jesus MICH heraus?
  • Und wie und wo behindern mich mein Stolz, meine Angst, meine Scham?
  • Wo erschrecke ich vor Jesus und vor mir selbst?
  • Lasse ich mir von Jesus aufhelfen und folge seiner Gnade?
  • Bleibe ich in Seiner Nähe?

Verbinde dich ganz neu mit Jesus!  Nur dann ist Verwandlung möglich.

Gerd Epting (OJC), verheiratet mit Hanna, verantwortlich für das Begegnungszentrum REZ und Prädikant in der EKHN.

Anmerkungen:
1 William Barclay, Auslegung des Neuen Testaments, Lukasevangelium, Aussaat-Verlag, Wuppertal 1970
2 Henri Nouwen, Jesus nachfolgen, Neufeld Verlag, Cuxhaven 2021
Brennpunkt-Seelsorge 1 / 2023: Ganz im Vertrauen
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